Unsere Anwälte waren mit ihren Plädoyers an der Reihe.

Meine Anwältin machte den Anfang. Sie ging vor allem darauf ein, dass ich frühzeitig ein vollständiges Geständnis abgegeben hatte, die Ermittlungen somit vorangebracht und vor allem das TrueCrypt-Passwort genannt hatte. Sie erzählte auch von meinem Ziel, ein neues Studium aufzunehmen. Ein Strafmaß von 3 Jahren hielt meine Anwältin für angemessen. So würde ich die Möglichkeit haben, nach dem Sommer ein Studium im offenen Vollzug aufzunehmen. Ich war noch immer schockiert von den Forderungen der Staatsanwältin. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sogar selbst ich auf Bewährung rauskommen würde. Cems Anwalt ging auf das junge Alter ein. Besondere Erwähnung fand der Fakt, dass Cem die mittlere Reife nachholen wolle. Cem, so sein Anwalt, sollte die bisherige Haftzeit genügt haben und somit sogar ohne Bewährung entlassen werden. Adnans Anwalt ging auf das erfolgreiche Studium von ihm ein, dass er nur zeitlich begrenzt mitgewirkt hatte, dass ich ihn überredet hatte mitzumachen, und allen voran das Geständnis von ihm, dass die Ermittlungen erheblich beschleunigt hatte. Er beantragte eine Geldstrafe.

Nach den Plädoyers teilte uns die Richterin noch mit, dass wir nicht als Bande verurteilt werden würden, und dass sie die etwa 800 Fälle auf 137 Fälle zusammengefasst hatten. Sie fragte noch, ob wir etwas Letztes sagen wollten, bevor das Urteil verkündet werden würde. Doch auch, wenn ich froh darüber war, dass wir nicht als Bande verurteilt werden würden, gingen mir die von meiner Anwältin genehmigten 3 Jahre bis hin zu den geforderten 4 Jahren Haftstrafe nicht aus dem Kopf. Ich musste mir eingestehen, dass ich tatsächlich gehofft hatte, heute Abend daheim zu essen – zusammen mit meiner Familie. Da war ich wohl zu optimistisch gewesen: „Es tut mir leid, was ich getan habe. Ich entschuldige mich bei allen Geschädigten.“

Mit diesen letzten Worten meinerseits wurden wir in die Mittagspause geschickt.

Cem und ich waren gemeinsam in einer Wartezelle, beide perplex und aufgewühlt. „Keine Sorge, Cem. Du kommst auf alle Fälle raus!“ Ich musste zugeben, dass ich selbst nicht dran glaubte. Trotzdem wollte ich noch hoffen. „Hör auf! Sag sowas nicht! Sei einfach leise.“ Meinem Bruder war wohl endlich der Ernst der Lage bewusst geworden. Ich spürte seine Anspannung. Doch ich versuchte, weiterhin optimistisch zu sein: „Das passt schon so. Ich beginne einfach nächstes Semester im offenen Vollzug mein Studium, das ist das Wichtigste für mich. Und Du kommst hundert pro raus, dann lässt Du erstmal die Sau raus und kannst dann mit der Realschule beginnen.“ Ich träumte vor mich hin und teilte mein Wunschdenken meinem Bruder mit, der so gar nicht begeistert von meinem Optimismus war. Als nach einer gefühlten halben Ewigkeit die Tür aufging und mein Herz zu rasen begann, wollte ich Cem noch ein letztes Mal alles Gute wünschen: „Cem, Du wirst rauskommen! Ich glaube fest daran! Aber bitte vergiss nicht, mich zu besuchen! Komm jede Woche – Du weißt, wie sehr man sich über Besuch freut. Du musst mir erzählen, was sich draußen verändert hat, einfach alles! Und erzähl mir, wie es sich anfühlt, frei zu sein!“ Mit diesen letzten Worten gingen wir in den Gerichtssaal, für ein allerletztes Mal. Cem war so angespannt, dass er auf meine letzten Worte nur mit der Andeutung eines Grinsens antwortete. Abermals glitten meine Blicke über meine angespannte Familie hinweg. Ich atmete tief ein: „Emre – Alles, was zählt, ist das Studium. Bei 3 Jahren Strafmaß bist Du deinem Traum zum Greifen nah!“ So, oder zumindest so ähnlich redete ich mir nochmals meinen Optimismus ein und versuchte, mich irgendwie zu entspannen. Selbst, wenn ich dies geschafft hätte, wäre der kleinste Funke von Entspannung sofort verflogen, sobald die Richter und Schöffen den Saal betraten und wir aufstanden – meinen Körper fühlte ich nicht mehr, ich war in einem Tunnelblick und schenkte der Richterin mein Gehör. Sie begann, das Urteil vorzulesen.

Sie leitete es mit folgenden Worten ein.

„Einleitung

In der Zeit vom 27. Juli 2012 bis 24. Oktober 2012 schlossen sich die befreundeten Angeklagten Emre Atesund Adnan Polat zusammen, um aufgrund gemeinsamen Tatplanes auf arbeitsteilige Weise eine Vielzahl gleichartiger Computerbetrugstaten zu begehen. Unter einem Vorwand boten sie auf der Internetplattform www.mitfahrgelegenheit.de hochwertige Online-Bahntickets zu einem im Vergleich zum Originalpreis erheblich geringeren Preis – in der Regel 40 Euro pro Person und Fahrt – zum Verkauf an. Meldete sich ein Kaufinteressent, der die für die Bestellung erforderlichen Daten übermittelte, buchten sie in Ausführung ihres Tatplanes auf dem Online-Portal der Deutschen Bahn AG unter Verschleierung ihrer Identität die Tickets zum Original-Verkaufspreis. Für die jeweiligen Bezahlvorgänge bedienten sie sich, wie unter ihnen verabredet, Kreditkartendaten, die den berechtigten Karteninhabern auf nicht näher ermittelte Weise abhanden gekommen waren und die der Angeklagte Emre Ates zum Preis von etwa fünf bis zehn Euro pro Kreditkartendatensatz von bisher nicht näher bekannten Personen in einschlägigen Foren im Internet gekauft hatte. Nach Erhalt der Online-Tickets via E-Mail verschickten sie diese ebenfalls per E-Mail weiter an den jeweiligen Käufer, der den geforderten Kaufpreis auf ein eigens zu diesem Zweck erworbenes Konto – zunächst bei der Volksbank Kiel, dann auf ein Konto bei der Ziraat Bank – zu überweisen hatte. Die Konten bei der Volksbank Kiel eröffnet auf den Namen „Max Zierke“, und bei der Ziraat Bank, eröffnet auf die Falschpersonalien „Christopher Blake“ hatte der Angeklagte Emre Ates zu­vor ebenfalls von bisher nicht ermittelten Personen über einschlägige Foren im Internet gekauft. So begingen die Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat in dieser Zeit 75 Computerbetrugstaten, denen eine weitaus höhere Zahl an Bestellungen gegenüber der Deutschen Bahn AG zugrundeliegt.

Nach der gleichen Methode begingen der Angeklagte Emre Ates und sein jüngerer Bruder, der Angeklagte Cem Ates, ab dem 05. November 2012 bis zum 04. April 2013 weitere 52 Computerbetrugstaten, denen ebenfalls eine weitaus höhere Zahl an Bestellungen gegenüber der Deutschen Bahn AG zugrundeliegt. In dieser Zeit hatten die Käufer den jeweiligen Kaufpreis zunächst weiterhin auf das Konto bei der Ziraat Bank zu überweisen. Anschließend, nach dem dieses von der Staatsanwaltschaft Hamburg geschlossen worden war, hatten die Käufer vorübergehend mittels Paysafe-Karten den Kaufpreis zu zahlen, da den beiden angeklagten vorübergehend kein Konto zur Verfügung gestanden hatte. Schließlich erwarb der Angeklagte Emre Ates ein weiteres, auf die Falschpersonalien „Enrico Monti“ eröffnetes Konto bei der Postbank Hamburg, auf das die Reisenden fortan den jeweiligen Kaufpreis zu zahlen hatten.

Der durch die den Angeklagten Emre Ates und Adnan Polat zuzurechnenden Taten 1. bis 75. entstandene Schaden beträgt 54.037,90 Euro. Durch die den Angeklagten Emre Ates und Cem Ates zuzurechnenden Taten 76. bis 137. entstand ein Schaden in Höhe von 67.970,10 Euro. Durch die taten 1. bis 137. entstand somit ein Gesamtschaden von insgesamt 122.008 Euro der in erster Linie bei der Deutschen Bahn AG angefallen ist, wobei in einzelnen wenigen, nicht näher konkretisierbaren Fällen die berechtigten Inhaber der unbefugt verwendeten Kreditkartendatensätze wegen nicht durchgeführter Rückabwicklung den finanziellen Nachteil erlitten haben, der dem Originalpreis des Tickets entspricht.

Die persönlichen Verhältnisse

 

  1.  

 

    1. Der heute 23 Jahre alte Angeklagte Emre Ates wurde am 01. Dezember 1990 in Niedernhall geboren. Gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester, seinem jüngeren Bruder, dem jüngeren Bruder, dem Angeklagten Cem Ates, und seiner heute fünfjährigen Schwester wuchs er im Haushalt der Eltern in Stuttgart auf. Diese stammen aus der Türkei. Sie leben bereits seit Ende der 1980er Jahre im Bundesgebiet. Zunächst hatte der Angeklagte Emre Ates sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft inne, nun nur noch die türkische. Der Vater der beiden Angeklagten arbeitet seit vielen Jahren bei der Daimler AG und nebenbei als Kaufhausdetektiv. Außerdem erzielte er Einkünfte aus der Vermietung mehrerer Eigentumswohnungen. Die Mutter der Angeklagten ist Hausfrau. In der Familie wird deutsch und türkisch gesprochen. Die Kinder bevorzugen die deutsche Sprache, die Eltern die türkische. Der Angeklagte wurde altersentsprechend eingeschult, besuchte die Grundschule und wechselte anschließend gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester an die Realschule. Schulischer Erfolg war ihm von Anfang an wichtig. Früh besuchte er auch regelmäßig die Moschee. Um sein Taschengeld aufzubessern, begann er bald aus eigenem Antrieb, Zeitungen auszutragen, in der siebten Klasse entdeckte der Angeklagte Emre Ates durch ein Schulprojekt erstmals sein Interesse für Computer. Am Ende des achten Schuljahres war der Angeklagte versetzungsgefährdet. Die familiäre Situation war in dieser Zeit angespannt: Die Beziehung der Eltern war belastet, von Scheidung war die Rede. Zu einer endgültigen Trennung kam es jedoch nicht. Dennoch litten die Geschwister unter der Situation. In dieser Zeit sah sich der Angeklagte Emre Ates auch verantwortlich für seinen jüngeren Bruder Cem Ates, den er rückblickend als „Rebellkind“ bezeichnet. Als der Angeklagte Emre Ates 16 Jahre alt war, arbeitete er in seiner Freizeit auf 400-Euro-Basis in einem Supermarkt. In dieser Zeit kam er erstmal in Kontakt mit Online-Sportwetten und erhoffte sich bald, auf dieser Weise große Gewinne erzielen zu können.

      In der zehnten Klasse verbesserten sich die schulischen Leistungen des Angeklagten wieder. Er erreichte die mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Gleichwohl hatte er sich mehr erhofft.

      Anschließend wechselte er an ein technisches Gymnasium, um – was sich seine Eltern immer für die Kinder erhofft hatten – die Hochschulreife zu erlangen. In dieser Zeit hatte der Angeklagte bereits erste Schulden durch Sportwetten angehäuft. Auf Druck seines Vaters, der sich wegen der finanziellen Schwierigkeiten seines Sohnes sorgte und diesen stets zum Sparen aufforderte, nahm der Angeklagte immer wieder Nebentätigkeiten an.

      In der zwölften Klasse investierte der Angeklagte den durch die Nebentätigkeiten erlangten Lohn bereits regelmäßig in Online-Sportwetten. Sein Ziel war es, das Sportwetten-System zu überlisten, um höchstmöglichen finanziellen Profit daraus zu schlagen. Allmählich reifte in ihm zur Umsetzung seines Zieles eine Geschäftsidee. Gleichzeitig häufte er mehr und mehr Schulden an, für die in der Regel sein Vater aufkam. Schließlich brachte der Angeklagte andere dazu, mehrere tausend Euro in seine Geschäftsidee zu investiere. Sein Vorhaben blieb aber erfolglos. Stattdessen hatte er Schulden in Höhe von etwa 15.000 Euro angehäuft. Sein Vater kam auch für diese auf.

      Im Sommer 2010 hatte der Angeklagte mit mäßigem Erfolg das Abitur erreicht: Sein Notendurchschnitt betrug 3,3.

      Im Wintersemester 2010/2011 begann der Angeklagte Emre Ates an der Universität Stuttgart ein Informatik-Studium. Allerdings fiel es ihm schwer, sich einzuleben und Freunde unter seinen Kommilitonen zu finden. Er zog sich zurück und verbrachte seine Freizeit zunehmend mit seinem jüngeren Bruder Cem. Gleichzeitig beneidete er seine Zwillingsschwester, die ein Architekturstudium aufgenommen hatte, sich rasch an den Universitätsalltag gewöhnt und Freunde gefunden hatte.

      Im April 2011 nahm der Angeklagte eine Nebentätigkeit in einem Kino auf und kam so in Kontakt mit Gleichaltrigen. Fortan verbrachte er zunehmend mit diesen seine Freizeit, woran er bald Gefallen fand. Im November 2011 beendete er die Nebentätigkeit aber wieder, da er sich damit – neben seinem Studium – überfordert fühlte. Auch seine Eltern sahen in der Nebentätigkeit ihres Sohnes den Grund für die sich allmählich häufenden Schwierigkeiten im Studium: Der Angeklagte hatte Schwierigkeiten, den Kursen inhaltlich zu folgen und nach wie vor kaum Kontakt zu Kommilitonen. So verlor er zunehmend das Interesse ­an seinem Studium und besuchte nur noch selten die Kurse. Zum Ende des Wintersemesters 2011/2012 beendete er sein Studium schließlich.

      Am 20. Oktober 2011 stand der Angeklagte erstmals vor Gericht. Das Amtsgericht Stuttgart sprach ihn wegen zwei Fällen des Computerbetruges im besonders schweren Fall schuldig und verhängte einen Freizeitarrest gegen ihn. Außerdem wies es ihn an, 80 Arbeitsstunden abzuleisten und seine Teilnahme an der Selbsthilfegruppe Spielabhängiger fortzusetzen.

      Dem Urteil liegt Folgendes zugrunde:

      Der Angeklagte nahm am 24. August 2011 per Internet Leistungen der Deutschen Telekom AG/TCOM, Geschäftseinheit T-Online im Wert von 1.941,79 Euro in Anspruch, für deren Bezahlung er ein Clickandbuy-Konto angab. Dieses Clickandbuy-Konto hatte er unter Angabe seines richtigen Namens, eines falschen Geburtsdatums, der mit Ausnahme der Hausnummer richtigen Adresse und Angabe des Namens und der Kontoverbindung des Anzeigeerstatters angelegt. Er handelte dabei in der Absicht, die in Anspruch genommenen Leistungen nicht zu bezahlen. Der Kontoinhaber widerrief die Abbuchung vom 24. August 2011 in Höhe von 1.941,79 Euro von seinem Konto durch die Clickandbuy-KontoInternational Ldt., Lincols House, 137-143 Hammersmith Road, London, W140QL, GB. Somit entstand ein Schaden in entsprechender Höhe zum Nachteil der Clickandbuy bzw. der Deutschen Telekom AG.

      Der Angeklagte bestellte im Januar 2011 per Internet bei der Deutschen Telekom AG, t-online.de Shop, T-Online-Allee 1, 64295 Darmstadt, ein Apple MacBook Pro i5, einen Acer Photo Frame und einen Acer LED-Bildschirm im Gesamtwert von 1.892,90 Euro inklusive Versandkosten. Er zahlte über das Unternehmen Clickandbuy International Ldt., Lincols House, 137-143 Hammersmith Road, London, GB, und gab hierfür unberechtigt die Bankverbindung eines anderen sowie eine fiktive Adresse an, in der Absicht, die Waren nicht zu bezahlen. Die Waren wurden am 12. Januar 2011 per DHL an den Angeklagten ausgeliefert. Die Abbuchung von Clickandbuy wurde durch den Kontoinhaber storniert. Es entstand ein Schaden in Höhe von 1.907,90 Euro (inklusive Rücklastschriftgebühren) zum Nachteil der Clickandbuy International Ltd.

      Der Angeklagte handelte bei beiden Taten jeweils in der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehungen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen und eigene Aufwendungen hierdurch zu ersparen.

      Der Freizeitarrest wurde am 07. Und 08. Januar 2012 gegen den Angeklagten vollstreckt. Die Arbeitsstunden hat er erledigt. Beratungsgespräche bei der Selbsthilfegruppe Spielabhängiger nahm er im Laufe des Jahres 2012 aber­ nur schleppend und wenige wahr. Nach mehreren Ermahnungen nahm er im März 2013 noch an zwei Terminen teil, den für Ende April 2013 vereinbarten Termin konnte er aber wegen seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren nicht mehr wahrnehmen. Am 09. Juli 2013 hob deshalb das Amtsgericht Stuttgart die Weisung zur Fortsetzung der Teilnahme an der Selbsthilfegruppe Spielabhängiger aus dem Beschluss vom 20. Oktober 2011 auf. Das Urteil vom 20. Oktober 2011 ist damit erledigt.

      Danach schloss der Angeklagte zwar noch gelegentlich Online-Sportwetten ab. Exzessiv spielte er jedoch nicht.

      Spätestens im Frühjahr 2012 stieß der Angeklagte im Internet auf das den Taten der vorliegenden Verurteilung zugrundeliegende Geschäftsmodell.

      Ab März 2012 half der Angeklagte seinem Vater bei der Renovierung einer Eigentumswohnung, auch weil er sich diesem verpflichtet fühlte, da dieser seine Schulden beglichen hatte.

      Mit Strafbefehl vom 08. Mai 2012 verurteilte das Amtsgericht Böblingen den Angeklagten wegen Betruges zu der Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro. Diese Verurteilung ist erledigt.
      Dem Strafbefehl liegt Folgendes zugrunde:

      Am 13.01.2012 verkaufte Emre Ates unter den Falschpersonalien „Mark Messerschmied“ unter Vortäuschung seiner Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit an einen anderen über eine Kleinanzeige Ebay ein Macbook Pro 15 zum Preis von 700 Euro. Gemäß der Vereinbarung überwies der Käufer den Betrag auf sein Konto am 14.01.2012, wo der Betrag auch gutgeschrieben wurde. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht lieferte er die im Vertrauen auf seine Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit bezahlte Ware nicht. Dem Käufer entstand hierdurch ein entsprechender Schaden. Erst nachdem der Geschädigte Anzeige erstattet hatte, überwies der Angeklagte im März 2012 750 Euro an diesen.

      Nachdem sein Bruder Cem am 10. Juli 2013 zu einem längeren Urlaubsaufenthalt bei Verwandten in die Türkei aufgebrochen war, verbrachte der Angeklagte Emre Ates den Sommer alleine mit seinem Vater in Stuttgart, nachdem auch seine Mutter und die jüngere Schwester dem Bruder in die Türkei gefolgt waren und die Zwillingsschwester ausgezogen war. Vater und Sohn fanden – nachdem das Verhältnis zwischen ihnen wegen der stets schlechten finanziellen Situation des Angeklagten angespannt gewesen war – wieder mehr zueinander.

      Am 17. Juli 2012 begann der Angeklagte eine Ferientätigkeit bei der Daimler AG. Er arbeitete im Bereich der Produktion in Schichtbetrieb. Es handelte sich um eine Akkordtätigkeit.

      In dieser Zeit von 27. Juli 2012 bis 04. April 2013 beging der Angeklagte Emre Ates die dem Urteil zugrundeliegenden Taten.

      Am 22. August 2012 fand im Elternhaus eine Durchsuchung durch Kräfte der Bundespolizei Kassel wegen gleichartiger Tatvorwürfe im Rahmen eines weiteren unter anderem gegen die Brüder Ates geführten Ermittlungsverfahrens statt. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn wurde dadurch erneut belastet.

      Am 07. September 2012 endete die Ferientätigkeit des Angeklagten. Am 10. September 2012 reiste er – wie schon zuvor seine Mutter und die beiden Geschwister – in die Türkei. Der Urlaubsaufenthalt dauerte bis 24. September an.

      Nach seiner Rückkehr nahm der Angeklagte erneut ein Informatik-Studium – nun an der Hochschule Esslingen – auf. Gegen den Willen des Vaters zog der Angeklagte in der Zeit von 01. Bis 15. Oktober 2012 in eine Wohnung in Esslingen, für die er fortan 400 Euro Miete zu zahlen hatte. Sein Vater lehnte jede weitere finanzielle Unterstützung ab. Ein Auto stellte er ihm aber noch zur Verfügung.

      Nur für wenige Tage hatte der Angeklagte die Kurse an der Hochschule besucht. Nachdem es Schwierigkeiten bei der Bewilligung von Bafög gab und sich der Angeklagte sehr um seine finanzielle Situation sorgte, nahm er schließlich ein Angebot der Daimler AG für ein Langzeitpraktikum, das am 15. Oktober 2012 begann, auf. Er versuchte das erste Semester auf diesem Wege als Praxissemester anzuerkennen. Fortan arbeitete er Vollzeit und erhielt monatlich einen Bruttobetrag von 750 Euro, was zu einem Praktikantengehalt von 400 Euro netto führte. Außerdem war ihm ein Studienkredit bewilligt worden, sodass ihm ein weiterer Betrag von monatlich 650 Euro zur Verfügung stand.

      Allmählich geriet er mit seiner Miete in Rückstand, da es ihm nicht gelang, mit den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zurecht zu kommen. Der Angeklagte vermisste in dieser Zeit den persönlichen Kontakt zu seiner Familie. Es fiel ihm erneut schwer, Kontakte im Kollegenkreis zu knüpfen.

      Zum 15. Januar 2013 beendete er das Praktikum bei der Daimler AG. Bald fand er Kontakt zu einer Lerngruppe an der Hochschule und nahm motiviert das Studium auf. Es gelang ihm aber nicht mehr, zu den Prüfungen im Januar 2013 zugelassen zu werden, dennoch setzte er sein Studium fort. Anträge auf Bewilligung von BAföG, die er gestellt hatte, wurden in dieser Zeit abgelehnt. Gleichzeitig bemühte er sich erfolglos um eine Nebentätigkeit.

      Am 05. April 2013 wurde der Angeklagte gemeinsam mit seinem Bruder vorläufig festgenommen. Er befindet sich seit diesem Tag zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Esslingen vom selben Tag, seit 17. September 2013 auch aufgrund des erweiterten Haftbefehls desselben Gerichts vom 12. September 2013 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 16. Dezember 2013 erließ die Kammer Haftbefehl gegen den Angeklagten im Umfang der Anklage und setzte diesen in Vollzug.

      Die Familie des Angeklagten steht auch in der Haft zu ihm. Seit Sommer 2013 arbeitet er in der Haft als Reiniger.

      Weitere gegen den Angeklagten gerichtete Ermittlungsverfahren mit gleichgelagerten Vorwürfen sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig.

 

    1. Der heute 19 Jahre alte Angeklagte Cem Ates wurde am 14. Februar 1995 in Niedernhall geboren. Er ist sowohl türkischer als auch deutscher Staatsangehöriger. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder, dem Angeklagten Emre Ates und den weiteren Geschwistern wuchs er bei den Eltern auf. Nach dem Besuch des Kindergartens wurde der Angeklagte altersentsprechend eingeschult. Er besuchte die Grundschule und wechselte anschließend auf die Hauptschule. Im Jahre 2011 erreichte er den Hauptschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 3,0. Im Anschluss daran besucht er bis Sommer 2012 ein Berufseinstiegsjahr. Da er sich unterfordert fühlte und schließlich mit Hilfe seines älteren Bruders einen Schulplatz an einer Werkrealschule fand, die er von Herbst 2012 an besuchen wollte, um seine mittlere Reife zu erreichen, brach er das Berufseinstiegsjahr noch vor Beginn der Sommerferien ab und reiste am 10. Juli 2012 in die Türkei zu seinen Verwandten. Die familiäre Situation empfand der Angeklagte in dieser Zeit als angespannt. Das Verhältnis des Angeklagten zu seinen Eltern, die sehr viel Wert auf die Schul- und Berufsausbildung ihrer Kinder legen, beschreibt der Angeklagte, der sich stets dem Vergleich mit seinen älteren Geschwistern stellen musste, bis heute als belastet. Seinen Vater erlebte er als streng. Taschengeld erhielt er von seiner Mutter. Der Angeklagte kehrte erst am 13. September 2012 nach Deutschland zurück. Das neue Schuljahr hatte bereits begonnen. Er besuchte fortan nur unregelmäßig den Unterricht der Werkrealschule. Bald häuften sich seine Fehlzeiten. Seine schulischen Leistungen verschlechterten sich.Wegen hin und wieder auftretender Stimmungsschwankungen nahm der Angeklagte auf Betreiben seiner Mutter, die sich um ihren Sohn sorgte, einen Termin bei einem Psychologen wahr, weitere Beratungsgespräche lehnte der Angeklagte jedoch ab.

      In dieser Zeit ging er gerne mit seinen Freunden aus, konsumierte mit diesen Alkohol und besuchte Diskotheken. Nachdem sein Bruder Emre nach Esslingen gezogen war, verbrachte er auch dort häufig seine Freizeit. Dem erzieherischen Einfluss seiner Eltern war er weitgehend entglitten.

      In der Zeit von 05. November 2012 bis 04. April 2013 beging der Angeklagte die seiner Verurteilung zugrundeliegenden Taten.

      Der Angeklagte wurde am 05. April 2013 gemeinsam mit seinem Bruder vorläufig festgenommen. Er befand sich seit diesem Tag zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Esslingen vom selben Tag, seit 17. September 2013 auch aufgrund des erweiterten Haftbefehls desselben Gerichts vom 12. September 2013 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 16. Dezember 2013 erließ die Kammer Haftbefehl gegen den Angeklagten im Umfang der Anklage und setzte diesen in Vollzug.

      In der Haftzeit half der Angeklagte hin und wieder den Reinigern und lernte für die mittlere Reife. Seine Familie stand zu ihm und besuchte ihn regelmäßig.

      Am 08. April 2014 hob die Kammer den Haftbefehl gegen den Angeklagten Cem Ates.

      Der Angeklagte hat weiterhin vor, die Schule zu besuchen und die mittlere Reife zu erreichen. Gegebenenfalls möchte er anschließend eine Ausbildung absolvieren oder Wirtschaftsinformatik studieren.

      Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten. Weitere Ermittlungsverfahren mit gleichgelagerten Vorwürfen sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig.

 

    1. Der heute 21 Jahre alte Angeklagte Adnan Polat wurde am 08.08.1992 in Niedernhall geboren. Er ist türkischer Staatsangehöriger. Der Angeklagte wuchs als jüngstes von sieben Kindern im Haushalt der Eltern in Niedernhall auf. Der Vater des Angeklagten ist Rentner, arbeitet aber noch als Hausmeister. Die Mutter des Angeklagten ist Hausfrau. Der Angeklagte wurde nach dem Besuch des Kindergartens altersentsprechend eingeschult, besuchte die örtliche Grundschule und anschließend die Hauptschule, die er im Jahr 2007 mit dem Hauptschulabschluss beendete. Im Anschluss daran absolvierte er die zweijährige Berufsfachschule, die er im Jahr 2009 mit der mittleren Reife abschloss. Im September desselben Jahres begann er eine Ausbildung zum IT-Systemkaufmann. Am 12. Juli 2012 beendete er diese regulär, allerdings mit mäßigem Erfolg. In der Zeit von 27. Juli bis 24. Oktober 2012 beging der Angeklagte die seiner Verurteilung zugrundeliegenden Taten. Ab dem Schuljahr 2012/2013 besuchte der Angeklagte das einjährige Berufskolleg mit dem Ziel, die Fachhochschulreife zu erreichen. Dies gelang ihm im Juli 2013 mit einem Notendurchschnitt von 2,6.Am 06. August 2013 wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen, nachdem er an diesem Tag von einem Kuraufenthalt zurückgekehrt war. Am 07. August 2013 erließ das Amtsgericht Stuttgart, nachdem sich der Angeklagte gegenüber Beamten der Bundespolizei zur Sache eingelassen hatte, Haftbefehl gegen ihn und setzte diesen in Vollzug. Der Haftbefehl erging zwar unter dem bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart bis heute anhängigen Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen 171 Js XXXXX/12. Ihm liegen jedoch die in diesem Verfahren zur Aburteilung gekommen Vorwürfe zu Grunde.

      Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 08. August 2013 setzte das Landgericht am 14. August 2013 den Haftbefehl gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug. Am selben Tag wurde der Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen.

      Am 18. März 2014 hob das Amtsgericht Stuttgart auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl vom 07. August 2013 auf.

      Seit Oktober 2013 studiert der Angeklagte an der Hochschule für Medien in Stuttgart. Er belegt den Studiengang „Wirtschaftsinformatik und digitale Medien“. Derzeit ist er im zweiten Semester. Er erhält monatliche BAföG-Leistungen in Höhe von etwa 400 Euro. Schulden hat der Angeklagte nicht. Für die Zukunft hat er fest vor, sein Studium erfolgreich zu beenden.

      Als einziges der sieben Kinder lebt der Angeklagte nach wie vor im Elternhaus. Pläne, auszuziehen und einen eigenen Haushalt zu gründen, hat er nicht. Als jüngstes Kind fühlt er sich seinen gesundheitlich angeschlagenen Eltern gegenüber verantwortlich. Das Verhältnis zu ihnen beschreibt er als sehr gut.

      Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten.“

 

Mein Körper schwitzte in seiner Gesamtheit. Tausende Bilder schossen mir vor das geistige Auge, als die hauptvorsitzende Richterin von meinem Leben erzählte. Mir wurde dabei so heiß im Gesicht – ich lief so rot an wie wahrscheinlich noch nie zuvor. Doch vor allem bereitete mir eine Sache die meisten Sorgen: Meinen Mithäftlingen hatte ich bisher immer mitgeteilt, dass ich Ersttäter war.

Ich hatte gelogen, und nun wurde ich mit meiner Lüge konfrontiert.

Das Schlimmste daran war, dass ich sogar angefangen hatte, an meine eigene Lüge zu glauben – Ich war förmlich schockiert, als die Richterin von meinen Vorstrafen berichtete. Ob die zwei Vorstrafen sich stark auf mein Strafmaß auswirken würden? War die Forderung der Staatsanwältin mit den 4 Jahren doch berechtigt?

Ich fürchtete, ja.