Die Beamten griffen mich fest an den Armen. Einer umklammerte mich förmlich, während die beiden Anderen meine Arme hinter meinen Rücken zogen und Handschellen an meine Hände befestigten. Ich leistete keinen Widerstand, dass dies nämlich zwecklos war, war mir bewusst. Dennoch mussten mich die Beamten schleppen und zerren, da ich kaum stehen konnte. Ich war total fertig, sowohl der Umstand der Verhaftung, als auch das Wegrennen vor den Beamten hatte mich viel Energie gekostet. Sie brachten mich zu dem Standort, an dem ich auch losgerannt war. Von meinem Bruder war bisher weder was zu hören, noch was zu sehen.
Ich sah mehr als ein dutzend Beamte, alle waren mit irgendetwas beschäftigt, keiner von ihnen stand still, es herrschte Hektik. Mehrere Beamte schrien mich an, dabei waren die Fragen hauptsächlich darauf gerichtet, wo mein Mittäter ist, was er an hatte und wer er ist. Zudem wurde ich „gefragt“, ob ich irgendwelche Tatwerkzeuge, wie Klappmesser in der Tasche habe. Auch nach meiner Identität wurde gefragt. Als ich nur schwieg, drückte mich einer fester an die Wand und fragte erneut, ob ich ein Klapmesser habe und ob ich überhaupt deutsch kann. Diesmal antwortete ich kurz mit einem „Nein, ich habe kein Messer“. Daraufhin schossen sie wieder mit ihren Fragen auf mich ein, doch ich antwortete wieder nicht. Schlussendlich durchsuchten sie meine Hosen- und Jackentaschen. Ich war sicher, dass ich meinem Bruder Zeit verschaffen konnte, da ich vor allem durch die Hektik der anderen Beamten feststellen konnte, dass sie ihn noch nicht gefunden hatten. Zudem hatte ich keine Geldbörse und kein Handy dabei, so dass meine Identität erst rauskommen sollte, sobald ich im Revier wäre. Doch seltsamerweise hatte ich noch mein Semesterticket für die Bahn in meiner Jackentasche, weshalb die Beamten direkt auf meinen Namen gestoßen sind.

Wie ich später von meinem Bruder erfuhr, war dies einer der Gründe, weshalb er auch erwischt wurde. Dazu später mehr.
Ein Streifenwagen kam, ich stieg hinten ein und wurde dann zur Polizeiwache gefahren. Dort brachten mich Streifenpolizisten in einen Warteraum, von dem aus sie mich auch beobachten konnten. Die LKA Beamten waren noch am Tatort und suchten die Bankkarte, mit der ich das Geld abgehoben hatte, diese hatte ich jedoch weggeworfen, bis dato wurden sie nicht fündig, dies war jedoch auch nicht mehr von Bedeutung. Ich war noch in der Hoffnung, dass mein Bruder entkommen war. Doch während ich im Warteraum still da saß und die Situation erstmal realisieren musste, war ich etwas enttäuscht, als ich sah, wie mein Bruder von 2 Streifenpolizisten in einen anderen Raum gebracht wurde. Gut eine Stunde musste ich im Warteraum mit tausend Gedanken kämpfen, als dann schlussendlich weitere Beamten kamen und mich in Richtung Arrestzelle brachten.
Meine Fingerabdrücke waren bereits bei der Polizei registriert, weshalb ich wohl nur darauf gewartet hatte, dass die Polizei die Erstaufnahme meines Bruders absolvierte. Ich sah, wie mein Bruder ein paar Meter vor mir in eine Arrestzelle gesteckt wurde. Mich steckten sie in eine Arrestzelle neben seiner. Der Polizist blickte wütend auf mich und sagte mit langsamer Aussprache, sodass er sicher gehen konnte, dass ich es hundertprozentig verstehe:
„Sie kommen in den Knast! Das wissen Sie ?“ Ich reagierte nicht darauf, da ich noch in einer Art Schockzustand war. An der Tür befahl mir der Polizist, dass ich mich ausziehen solle, die Unterwäsche dürfe ich jedoch anbehalten, sagte er. Ich fragte noch, ob ich mein Unterhemd auch anbehalten darf, er bejahte dies. Er gab mir 2 Decken, in der Arrestzelle war lediglich eine harte Matratze, ohne Bezug und ohne Kissen. Ich fragte den Polizisten, ob ich denn kein Kissen bekomme? Er grinste nur und meinte: „Wir sind hier nicht in einem Hotel. Ihnen ist schon klar, dass das eine Arrestzelle ist?“.
Er schloss die Tür zu, das erste Mal, dass ich eingesperrt war.
Die Matratze war ziemlich kalt, die Zelle an sich war kalt, das Licht ließ sich nicht ausschalten. Die 2. Decke hatte ich zusammengefaltet und nutzte sie als Kissen.

Nun war ich ganz alleine mit meinen Gedanken, noch nie zuvor hatte ich soviel nachgedacht. Hätte ich meinen inneren Monolog in diesem Moment aufnehmen können, wäre dies sicherlich sehr interessant gewesen, doch heute kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Es mussten wohl ein oder zwei weitere Stunden vergangen sein, als plötzlich die Tür aufging, der LKA-Leiter mit zwei Wattestäbchen hereinkam und meinte: „Wir nehmen jetzt deine DNA, das hier musst du unterschreiben!“ Glücklicherweise hatte ich erst vor einigen Wochen im Internet gelesen, dass die Polizei zwar Fingerabdrücke nehmen darf, doch die Abnahme einer DNA-Probe eine richterliche Genehmigung benötigt. „Ähm, müssen Sie nicht einen richterlichen Beschluss deswegen haben?“ Er war sauer: „Wir können das auch auf die Tour machen, aber glaub mir, wir bekommen den Beschluss sowieso. Es bringt dir mehr Nachteile als Vorteile, wenn Du uns deine DNA jetzt nicht gibst. Also unterschreib hier einfach.“ Ich überlegte kurz: „Bitte, ich würde erst einen richterlichen Beschluss sehen wollen.“ Daraufhin kam ein Polizist und forderte mich auf, mein Unterhemd auszuziehen, da dies nicht erlaubt war. Dies tat ich auch. Der LKA-Leiter war sauer, haute die Arrestzellentür laut zu.

Wie ich später erfuhr, hatten sie die DNA von meinem Bruder genommen. So langsam wurde mich sehr unwohl, da ich Angst vor den Beamten bekam. Doch mit dem Unwissen, was nun als nächstes geschieht und mit der Hoffnung, dass ich doch irgendwie entlassen werde und nur eine Art Geldstrafe oder Sozialstunden bekomme, schlief ich ein.

Es war 12:00 Uhr als ich geweckt wurde, mir wurden Kleider in die Hände gedrückt. Ich war verwundert, das waren meine eigenen Klamotten. „Die hat deine Mutter uns gegeben“ sagte der Beamte, als er meine fragenden Blicke sah. In einem kleinen Raum wartete bereits ein BKA Beamter, ich sollte zu ihm. Er wollte, dass ich eine Aussage mache, ich verweigerte. Daraufhin meinte er, dass ich einen Anwalt anrufen darf. Doch ich hatte keinen Anwalt, er wollte wohl nur schauen, wie ich reagiere. Den Telefonhörer abgenommen, wählte er eine Nummer und gab mir den Hörer. Ein Anwalt war dran, ich kam mit ihm ins Gespräch. Die Wohnung meiner Eltern wurde mitten in der Nacht ebenfalls von Beamten durchsucht. Mein Vater hatte sofort ihn als Anwalt eingeschaltet, er wäre rechtzeitig zum Haftrichter da und riet mir, nichts auszusagen. Der Beamte wollte wissen, was mein Anwalt gesagt hatte. „Ich soll noch nichts aussagen.“ Weitere Beamte kamen in den Raum, wieder wurden mir Handschellen dran gemacht. Sie brachten mich in einen Zivilwagen, setzten mich auf den Rücksitz. „Sind die Handschellen zu fest?“ fragte der Beamte, der mir den Gurt dran machte. „Ja, ein bisschen schon, meine Handgelenke tun weh.“

„Ach was, das passt.“
Eine Sekunde hatte ich echt gedacht: „Warum fragst Du dann nach, du A…loch?“ Als ich aus dem Autofenster blickte, sah ich meinen Bruder in der Rückbank eines anderen Autos. Er blickte zu mir und grinste. Das war jedoch eher ein „Wtf machen wir jetzt“-Grinsen. Beim Amtsgericht angekommen war bereits mein Anwalt und der meines Bruders vor Ort. Sie wollten kurz, dass wir ihnen schildern, was passiert war. Mein Anwalt riet mir, vorläufig nichts auszusagen und dass ich höchstwahrscheinlich jetzt erst in Haft muss. Die Haftrichterin rief mich rein, meine Handschellen wurden mir abgenommen. Sie stellte mir einige Fragen wegen meines Einkommens, meines Berufs und weitere persönliche Sachen.
Die Frage, ob ich aussagen wolle, verneinte ich erneut. Es war wie ein kurzer Prozess, keine 5 Minuten hatte es gedauert, als sie die Worte verkündete, dass ich nun in die Haftanstalt in XYZ gebracht werde und in U-Haft sitzen muss. Ein paar Rechte wurden mir noch kurz erläutert. Ich war allerdings ziemlich baff, dass ich tatsächlich nun in den Knast musste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch große Hoffnungen entlassen zu werden. Schnell dachte ich an meinen Bruder, ich betete innerlich, dass er wenigstens nicht rein musste. Doch ihn ereilte das gleiche Schicksal. Mein Anwalt sagte mir, dass er mich besucht, sobald er Akteneinsicht habe. Wieder Handschellen an den Händen, wurde ich in das Auto gepackt, mit dem ich hergefahren wurde, und in Richtung Haftanstalt gefahren.
Während der Fahrt redete der BKA-Leiter, der neben mir saß, immer wieder auf mich ein, dass ich lieber aussagen soll. Als ich dann die Haftanstalt vor mir sah, bedrückte mich der Anblick, ich hatte noch nie zuvor so große Angst. „Ich werde aussagen, aber ich muss erst mit meinem Anwalt sprechen.“ sagte ich dem BKA-Leiter. Die Freude konnte man seinem Gesicht entnehmen. Wir waren im Innenhof der Haftanstalt, mein Bruder war schon da und bereits im Gebäude. Als ich meinen ersten Schritt Richtung Eingangstür machte, hörte ich Schreie, Gelächter und ein lautes Klopfen und Knallen.
„Ihr Sch**ß Bullen!“
„Du Bastard Bulle, ich f*ck deine Mutter!“

„Frischfleisch!“ schrie einer. Mein Herz fing an zu rasen, Schweiß lief mir den Rücken runter.